Umbau einer Scheune in ein Wohnatelier
(2015) – 54310 Minden
Umbau einer Scheune in ein Wohnatelier
Das traufständige Wirtschaftsgebäude am Waldrand von Minden an der Sauer stand viele Jahre leer. Äußerlich dem Verfall ausgesetzt, war seine ehemalige Nutzung im Jahr 2009 innenräumlich noch ablesbar: ein Stall mit Futtergasse im Erdgeschoss sowie das große Heulager mit Einbauspuren einer Kleinstwohnung im Obergeschoss.
Wunsch des Bauherrn war das Bauwerk wiederzubeleben und einer neuen Nutzung zuzuführen. Sowohl Bauherr als auch Architekt sahen hierbei von allem im freitragenden Scheunengeschoss Anknüpfungspunkte für eine Nutzung als Wohngebäude aber auch als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum. So galt es das vorhandene großzügige Raumvolumen der Scheune zu wahren und erlebbar zu machen. Alle dienenden Funktionen sind daher in einem eingestellten, hölzernen Möbelelement verborgen. Das Möbel ist begehbar und bildet emporengleich eine obere Ebene als Galerie aus. Zwei Treppen verbinden und inszenieren die drei Ebenen.
Ursprünglich war das Bauwerk als einfaches, zweckmäßiges Wirtschaftsgebäude errichtet worden. Entsprechend finden sich keine dekorativen Details wie Natursteingewände um die Fenster oder profilierte Traufbohlen. Auch Öffnungen waren spärlich und im Wesentlichen auf Türen, die den Zugang zu den verschiedenen Funktionsbereichen Stall, Futtereinbringung, Heulagerung gewährleisteten, reduziert. Die Belichtung blieb hierbei auf wenige, kleine Fenster im Erdgeschoss beschränkt.
Heute betritt man das Gebäude im Erdgeschoss über eine geräumige Diele, die den Eingangsbereich mit dem Scheunengeschoss verbindet. Von der Diele sind ebenso eine kleine Ferienwohnung, ein Hauswirtschaftsraum und ein Technikraum zugänglich. Im Obergeschoss findet sich der große Raum, der als Wohnatelier mit Galerie das Herzstück des Gebäudes bildet. Es kann als Wohnraum sowie als Ausstellungs- oder Veranstaltungsraum für unterschiedliche Nutzergruppen (Kunstausstellungen, Vorträge, Yoga, etc. ) genutzt werden. Von hier ist der gesamte Dachraum ablesbar. Dienende Funktionen in Form eines Zimmers, einer Pantryküche, eines Gäste-WCs und eines Duschbads sind als Möbelelement eingestellt. So bleibt das eigentliche Volumen der ehemaligen Scheune erfahrbar.
Konstruktiv sollte im Zuge der Umnutzung der Bestand zunächst gesichert werden. Das Sockelgeschoss wurde zum dauerhaften Feuchteschutz hangseitig freigelegt. Darüber hinaus wurden Fußboden, Außenwände und Dach wärmegedämmt. Hierfür wurde zunächst das marode Dach samt Holzkonstruktion ausgetauscht und das intakte Mauerwerk mit einem neuen Ringanker gefasst. In den folgenden Jahren konnten so in aller Ruhe die erforderlichen Rohbau-, energetische Sanierungs- und Ausbauarbeiten angegangen werden.
Äußerlich sollte dabei der wesentliche Charakter des Gebäudes erhalten bleiben. Zur Straßenseite wurden im Obergeschoss lediglich drei kleine Fenster, deren Größe den bestehenden Fenstern im Erdgeschoss entspricht, ergänzt. Die (Heueinbring-)Türen im Obergeschoss wurden durch Fenster ersetzt und hangseitig durch eine neue Schiebe-Fenstertür mit Terrassenzugang ergänzt. Die liebevoll, handwerklich gefertigten Holzfenster mit dünnen Profilansichten sind den Bestandfenstern nachempfunden. Hangseitig wird die Galerieebene zudem über zwei Dachflächenfenster belichtet. Die Fassadengestaltung beschränkt sich auf einfache, beständige Materialien: mineralischer Außenputz in ortstypischer Struktur und Farbigkeit, Trittstufen aus Naturstein und von Hand gekantete Fensterbänke aus Zinkblech. Die Hauseingänge sind in Anlehnung an die ehemaligen Stalltüren mit Eichentüren mit vertikalen Brettstruktur versehen.
Auch im Innenraum bleibt die Oberflächengestaltung auf wenige Materialien begrenzt: weiß verputzte Innenwände, Sandsteinplatten aus einem Abbruch in der Diele, hölzerne Bodenbeläge (Eichendielen im Scheunengeschoss, Industrieparkett in der Ferienwohnung), Möbelelemente und Massivholztreppe in Eiche(-furnier). In seiner reduzierten, handwerklichen Detailausbildung bietet der Innenraum einen wunderbaren Rahmen für kleine Fluchten aus dem Alltag und zur Besinnung auf das Wesentliche. Ebenso gut lassen sich in der Scheune Veranstaltungen oder auch Ausstellungen abhalten.
Scheune in Minden (2015)
Bauherrin: Anne Kilian-Wirtz, Ralingen
Architekten: Stein- Hemmes – Wirtz, Kasel / Frankfurt, www.stein-hemmes-wirtz.de/home/
Fotos: Linda Blatzek
Das Projekt wurde beim Baukultupreis Eifel 2015 in der Kategorie „Bauen im Bestand“ mit einem 1.Preis prämiert.
Hier die Bewertung der Jury:
„Die unprätentiöse kleine Bauaufgabe, ein am Straßenrand stehendes kleines traufständiges Wirtschaftsgebäude, das einmal als Stall mit Futtergasse im Erdgeschoss sowie als Heulager mit Einbauspuren einer Kleinstwohnung diente, einer neuen, zeitgemäßen Nutzung zuzuführen, zeigt, wie wichtig auch so kleine Aufgaben sind.Die Herangehensweise, das ortsbildprägende Merkmal zu erhalten, es dabei aber zu transformieren, zu verheutigen, dabei einen modernen Innenausbau anzubieten, ist gekonnt gemacht und zeigt bei aller Bescheidenheit im Äußeren, welch hohe Wertigkeit ein durchdachtes, architektonisches Konzept erreichen kann. Dabei noch die erkennbare Flexibilität in den innerräumlichen Zusammenhängen zu schaffen, spiegelt den richtigen Ansatz im Sinne regionaler Baukultur wider. Wenig Materialien wie weiß verputzte Innenwände, Sandsteinplatten aus einem Abbruch in der Diele, hölzerne Bodenbeläge lassen den Innenraum in seiner reduzierten, handwerklichen Detailausbildung wirken und bieten den Rahmen für kleine Fluchten aus dem Alltag und zur Besinnung auf das Wesentliche.“