Neu und alt müssen keine Widersprüche darstellen
Umbau oder Neubau
Potenziale sehen und nutzen
Zeiten des Neubaus wechseln immer mit Zeiten des Umbaus. Was genau für den eigenen Zweck am besten passt, kann abgewogen werden. Nicht nur im Neubau lassen sich individuelle Lösungen finden. Auch ein Altbau kann auf die eigenen Bedürfnisse angepasst, seine Bauteile wiederverwendet werden.
Durch die Industrialisierung der Bauwirtschaft und den Siegeszug der Moderne hat sich der Fokus beim Bauen am Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Neubau gerichtet. Vieles wurde abgerissen, Neubauten waren lange Zeit das Mittel der Wahl. Themen wie Umbauen, Anpassen und Wiederverwenden haben dagegen stark an Bedeutung verloren. Erst in den letzten Jahren, mit steigenden Baupreisen und damit einhergehend steigendem Sinn für Nachhaltigkeit und Umweltschutz steht das Thema Umbau und Anpassung wieder höher im Kurs. Durch gelungene Umbauten alter Wohnhäuser, Bauernhöfe oder Fabrikhallen erleben wir, wie viel Qualität in alter Bausubstanz stecken kann. Die Bauaufgabe Umbauen und damit auch das Wiederverwenden von bestehenden alten Gebäuden an einem gewachsenen Ort verdient grundsätzlich eine höhere Wertschätzung. Diese Idee wird in der Baukultur auch als Goldene Energie bezeichnet.
Weiterverwendung durch Umnutzung
Der Blick in die Geschichte lehrt, dass es jedoch auch schon immer Phasen gab, in denen bestehende Gebäude eher umgebaut wurden, als sie abzureißen. Bestes Beispiel dafür ist die Hohe Domkirche St. Peter zu Trier, kurz: der Trierer Dom. Im Kern geht dieses Gebäude auf ein Wohngebäude des 4. Jahrhunderts zurück. Heute gäbe es keine Porta Nigra mehr, wäre sie nicht im Mittelalter zur Kirche umgebaut worden. An den berühmten Burgen der Eifel lässt sich ebenfalls sehr gut ablesen, wie sich diese wehrhaften Bauten mit den Jahrhunderten und sich ändernden Anforderungen in barocke Schlösser verwandelten. Selbst ein so bekanntes Gebäude, wie das Schloss Versailles bei Paris entstand durch Um- und Anbauten eines älteren Gebäudes.
Wer mit offenen Augen durch die eigene Heimat läuft, wird an vielen alten Gebäuden erkennen, dass diese nur deswegen so lange überdauert haben, weil sie den Anforderungen ihrer jeweiligen Bewohner immer angepasst wurden. Der besondere Reiz unserer Ortschaften entstand dadurch, dass sich Phasen des Neubauens und Phasen des Umbauens, Modernisierens und Anpassens immer abgewechselt haben.
Unser heutiger baulicher Bestand ist inzwischen zu einer gigantischen Lagerstätte herangewachsen, die riesige Mengen an Rohstoffen, aber auch an Erinnerungen, Atmosphären und Spuren der Vergangenheit bindet. Es sind steingewordene Zeugnisse einer gemeinsamen Geschichte, die für eine nachhaltige Entwicklung unserer Städte Ortschaften ebenso bedeutsam sind wie die in den Bauwerken gebundenen Rohstoffe.
Goldene Energie
Wer mit dem Gedanken spielt, ein Haus zu bauen, sollte immer auch darüber nachdenken, ob nicht auch die Umnutzung eines alten Gebäudes in Frage kommt. Denn der Bestand ist nicht nur aufgrund der in ihm gespeicherten Emissionen, der sogenannten Grauen Energie wertvoll. Goldene Energie
Sollte genutzt werden, aus immateriellen und kulturellen Gründen. Den Wert bestehender Häuser zu sehen und zu vermitteln, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gerade die am Planen und Bauen Beteiligten sind angehalten, die Goldene Energie der Gebäude im Bestand zu erkennen. Sie können Potenziale herausarbeiten, die eine neue Gestaltungssprache im Umgang mit dem Bestand ermöglichen. Und – alte Häuser lassen sich mitunter erstaunlich schnell und einfach an die Anforderungen unserer Zeit anpassen.