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Gerold Reker, Vizepräsident Architektenkammer Rheinland-Pfalz

Baukultur im Eifelkreis Bitburg-Prüm - zeitgemäßes neues Bauen

Gerold Reker

Im Architektengesetz des Landes Rheinland-Pfalz sind die Aufgaben der Architektenkammer definiert. Im § 15 (Abs. 1.) legt das Gesetz fest, dass es (neben anderen wichtigen Aufgaben) die erste und vornehmste Aufgabe der Architektenkammer sei, insbesondere die Baukultur, das Bauwesen, die Landschaftspflege und die städtebauliche Entwicklung zu fördern.
Aus diesem Grund ist es naheliegend, dass die Kammergruppe des Eifelkreises Bitburg-Prüm regionale Ansätze zur Stärkung der Baukultur im ländlichen Raum suchte. Man versuchte zusammen mit dem Landkreis Bitburg-Prüm herauszufinden, mit welchen Strategien und Maßnahmen die erfolgreiche und dynamische Entwicklung der ländlichen Region weiter positiv beeinflusst werden kann. Ein Projektzuschuss aus Brüssel lässt nun Gutes erhoffen.

Die Eifel unterliegt – wie andere ländliche Regionen auch – der demografischen Veränderung und dem wirtschaftlichen Strukturwandel. Die gewachsene Kulturlandschaft mit ihren unterschiedlichen Siedlungsstrukturen und regionalen baukulturellen Besonderheiten verlangt eine stärkere Beachtung.

Als Architektur noch die öffentlichste – die Mutter – aller Künste war, musste sie nicht vermittelt werden. Man schielte zu den „Großkopferten“ und hielt sich geflissentlich an Konventionen. Tat man es nicht, wurde man aus der konfektionierten Betrachtung von Architektur herauskomplementiert. Zeigte sich Qualität, wurde sie nach einer Weile angenommen und manchmal dem Kanon der Konventionen zugeschrieben. So entstand Baugeschichte. So entstand Identität. Bis vor hundert Jahren kam niemand auf die Idee alle fünfzehn Jahre neue Bautrends zu erfinden. Individualismus, Schnelllebigkeit, Pluralismus und das zunehmende Ausgleiten aus gesellschaftlichen Zwängen bauten Konventionen ab. Die entstandenen Lücken versucht die Initiative „Baukultur“ nun auszugleichen.

Regionales Bauen – Moderne Architektur mit regionalen Wurzeln:
Über Jahrzehnte war der zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandene „International Style“ in der Architektur das vermeintliche Maß aller Dinge. Der Beachtung von lokalen Bautraditionen wurde dabei meist kein Augenmerk geschenkt. Ähnlich sieht es heute vielfach auch noch in der Architektenausbildung an den Hochschulen aus. Demgegenüber steht jedoch eine immer größer werdende Gruppe von Architekten, denen es um die Integration solcher regionaler Besonderheiten in eine moderne und zeitgemäße Architektur geht.„

Über viele Jahrhunderte vollzog sich das Bauen im ländlichen Raum innerhalb enger Grenzen. Die Baukonstruktionen entsprachen den gleichen Bedürfnissen und erfüllten die gleichen Funktionen. Sie waren einfach zu bauen mit den Materialien, die vor Ort zur Verfügung standen. So entstanden homogene Dörfer, die sich harmonisch in die Landschaft einordneten. Jede Region hatte ihre eigene unverwechselbare Hauslandschaft mit gemeinsamen Zügen. Bei uns sind dies klare Grundformen, der zweigeschossige strenge Baukörper mit Satteldach, dessen Anbauten sich deutlich unterordnen. Mit sicherem Instinkt verstand man es, sein Dorf, seinen Bauernhof dem bergenden Schutz der Landschaft anzuvertrauen und so zu platzieren, dass Baukörper und Landschaft eine harmonische Einheit bildeten …“  Ich entnahm diesen Text der Broschüre „Kulturlandschaft Eifel – Bauen in der West- Eifel“ aus dem Jahr 2004, den ich aus Zeitgründen nicht weiter zitieren möchte. Er sagt alles aus. Der Leitfaden weiß vieles.

Seit sich nicht mehr alles von selbst versteht, muss Architektur aber „vermittelt“ werden – wie Malerei, wie Musik, wie Literatur. Die Literaturszene macht es vor. Seit die Reich-Ranitzkis, Heidenreichs und Karaseks telegerecht den literarischen „Überbau“ zu vermitteln scheinen, boomt der Literaturmarkt.Auch nach vielen Jahren intensiven Bemühens und vielfältigen sichtbaren Erfolgen um den Erhalt von Denkmälern und historischen, ortsbildprägenden Gebäuden gelingt es bei Neubauten und Ortserweiterungen manchmal nur unzureichend, die historisch gewachsene regionale Architektur- und Formensprache zeitgemäß und zukunftsweisend umzusetzen.

Das Bewusstsein für die Bedeutung von Landschaft, Architektur und Baukultur und ihre Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklung wird vielfach nicht erkannt. Die Folge sind standort- und regional untypische Bau- und Architekturformen, beliebig austauschbare Wohnquartiere und eine Eifelregion, deren Individualität zunehmend verloren geht und die ihr Gesicht verliert. Gleichzeitig sollen aber bei laufendem Identitätsverlust Tourismus und Kultur angekurbelt werden, die gerade diese Identität suchen – und dringend brauchen.Dieser Fragestellung stellen sich der Landkreis und die Kammergruppe des Landkreises Bitburg-Prüm: Wie kann die Schere zwischen zukünftiger Siedlungsentwicklung und Wahrung der Bautradition mit zeitgemäßen Wohnbedürfnissen geschlossen werden?Wie lässt sich Begeisterung für baukulturelle Themen in der Region des Kreises Bitburg-Prüm wecken?Welche Maßnahmen könnten Anreize zur Stärkung der regionalen Baukultur setzen?

Die Fragestellungen sind hier keine anderen als die in der nordrhein-westfälischen Eifel, die unter dem Titel „Es bewegt sich was!“ eine ähnliche Aktionsschiene beschreiten will. Will damit sagen: Es ist in der West-Eifel – namentlich im Kreis Bitburg-Prüm – in den letzten Jahren schon sehr viel nach vorne gedacht und stellenweise auch nach vorne gebracht worden. Der Wettbewerb „Neue Nutzung in alten Gebäuden“ der R.E.D. (Ruralité – Environnement – Développement) hat mit Unterstützung des damals noch „Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau in Rheinland Pfalz“ heißenden Ministeriums schon im Jahr 2000 das so wichtige Thema aufgegriffen.Stellvertreten für alle, die sich hier in den letzten Jahren oder gar Jahrzehnten engagiert haben, seien Frau Professor Dipl.-Ing. Marie-Luise Niewodniczanska, der Kreisdorferneuerungsbeauftragte Edgar Kiewel, der Sprecher des Architektenbeirats Kreis Bitburg-Prüm Klaus Zimmermann sowie meine Vorstandskollege Architekt Herbert Mayer genannt. Kollege Mayer hat mit beständigem, liebenswürdigem Druck das Thema auch im Vorstand der Architektenkammer im Gespräch gehalten.

Mit Genuss lese ich die vorzüglichen Einführungen von Marie-Luise Niewodniczanska, in denen so viel Kluges gesagt wird – und so weit nach vorne geschaut wird.Mit großem Interesse lese ich die eben schon erwähnte Broschüre „Kulturlandschaft Eifel – Bauen in der West-Eifel“, „Dorfwelten / Innerdörfliche Räume“, „Patrimoine d´avenier – Denkmäler der Zukunft“.Die Grundlagen sind da! Spürbar ist in allen Veröffentlichungen Sorge – Sorge um den Erhalt von Identität in der Eifelregion.

  • Der Austausch über positive Erfahrungen ist wichtig.
  • Das Bekanntmachen von Vorbildern, Ideen und Erfolgsberichten ist nötig.
  • Die „Vermittlung“ des Beabsichtigten ist unabdingbar.

Die Aktion des Landkreises und der Kammergruppe Bitburg-Prüm hat sich die erneute Sensibilisierung auf dieses Thema hin zum Ziel gemacht.Meine Damen und Herren, tragen Sie bitte mit dazu bei, dieses für eine ländliche Region so wichtige Thema in die Breite zu tragen.

Von Gerold Reker ist auch ein Beitrag in den Kreis-Nachrichten des Eifelkreises Bitburg-Prüm erschienen.