Regionale Bautradition – zeitgemäße Fortentwicklung
Traditionelle Architektur: |
Zeitgemäße Fortentwicklung: |
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Neubauten, Um– oder Anbauten sollten durch ihre Gestaltung nicht nur ein modernes Lebensgefühl vermitteln, sondern sie müssen insbesondere heutigen Wohnansprüchen und technischen wie energetischen Anforderungen genügen. Darüber hinaus müssen sie eine nachhaltige und wertbeständige Investition darstellen. Verantwortungsvoll neu bauen bedeutet, den Ort, die Umgebung, und die regionale Bautradition zu berücksichtigen. Dabei geht es nicht um das kopieren und das nachbauen traditioneller Haustypen oder die Übernahme von ästhetischen Konzepten. Der Ort und die regionale Bautradition sollen vielmehr Stimulanz sein für eine kreative moderne Architektur und als ein Identität stiftendes Regionalbewusstsein begriffen werden. Dies zeigen gute gebaute Beispiele aus der Region. Diese sollen zum Nachdenken anregen und gleichzeitig belegen, wie es Bauherren und Bauherrinnen gemeinsam mit ihrem jeweiligen Architekten gelingen kann, durch Anknüpfung an die regionale Bautradition innovativ und zeitgemäß neue Architektur mit regionalem Bezug zu entwickeln. |
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Neues Bauen im Dorf - Anregungen
Der Strukturwandel im ländlichen Raum und der aktuelle demografische Wandel verändern unsere Ortsbilder. Leerstehende Betriebsgebäude und Wohnbauten prägen bereits vielfach bereits die Ortskerne. Im Rahmen des „Zukunftscheck-Dorf“ bietet der Eifelkreis Bitburg-Prüm den Gemeinden beratende und finanzielle Unterstützung an. Ein Ziel ist es, die bauliche Innenentwicklung planerisch und gestalterisch aktiv zu steuern. Gebäudeabrisse werden sich dabei in Einzelfällen nicht vermeiden lassen. Die hierdurch entstehenden Chancen für Neubauten in den Ortskernen gilt es dabei zu nutzen. Anregungen zum Planen und Gestalten in den dörflichen Bereichen der Eifel trägt Prof. Marie-Luise Niewodniczanska seit vielen Jahren in einer Reihe von Broschüren zusammen und verdeutlicht die Inhalte durch begleitende Ausstellungen und Vorträge. Hier kann auf die Broschüre „Bauen in der Westeifel“ verwiesen werden. Sie ist online abrufbar unter www.eifel-baukultur.de im Hauptmenü rechts unter „Regionale Baukultur“.
• die Unverwechselbarkeit des Dorfes und der ländlichen Region zu erhalten • die klimatischen Einflüsse des Standortes optimal zu nutzen • das Besondere der Landschaft nicht zu stören • besondere Standorte wie Kuppen, Wald und Gewässer frei zu lassen • die Bauten dem Gelände anzupassen, nicht das Gelände dem Bauwerk II. Maßstäblich, maßstabsbezogen im ländlichen Raum planen und Bauen heißt: • am Menschen Maß nehmen • das richtige Verhältnis des Bauwerks zur Landschaft, zum Baumbestand und zum Menschen finden • kleinteilige, vernetzte Strukturen aufgreifen und weiterführen • mit den Bauten kleinräumige Plätze, Höfe, Gruppierungen und Raumfolgen bilden, die Abwechslung, Erlebnis und Spannung hervorrufen • für den richtigen Bauplatz, die richtige Aufgabe wählen III. Architektonische Qualität bei Neubauten im Dorfkern erzielen heißt: • die vorhandene historische Architektur respektieren, sich mit ihr auseinandersetzen, den Genius Loci, den „Geist des Ortes“ erkennen, • die Gesetze der vorhandenen Siedlung beachten, wie die Stellung der Gebäude zueinander, das Verhältnis von Fläche und Wand zu Öffnungen, • regionale Materialien verwenden, • bei Ortserweiterungen die siedlungs- und baubezogene Gestalt-, Form- und Raumstruktur berücksichtigen, • die Gesetze der Bescheidenheit erkennen, zurückhaltend gestalten. IV. Innovativ, zeitgemäß Bauen im Dorfkern oder am Dorfrand heißt: • mit Rücksicht auf die Altbebauung kreative neue Lösungen entwickeln, • sich in die vorhandene Altbebauung einordnen, aber nicht unterordnen, • Beziehungen aufnehmen, Zusammenhänge herstellen, die Geschichte nicht verfälschen und kopieren, • eigene Spuren in der Geschichte hinterlassen, ohne die alten zu zerstören, • den vorgegebenen Rahmen füllen, ohne auf Qualität zu verzichten. V. Den dörflichen Charakter stärken heißt: • naturnah und dorfökologisch das Umfeld des Gebäudes richtig gestalten, • bodenbeständige Gehölze bevorzugen, • bei Neubauten bäuerliche Gärten mit Staudenbeeten und Sumpfzonen anlegen, • großflächige Versiegelungen vermeiden, • Obstwiesen erhalten, pflegen und ergänzen. VI. Neue Wohnmodelle suchen heißt: • das freistehende Einfamilienhaus durch Baugruppierungen ablösen, • die sozialen Vorteile der Dorfgemeinschaft im alten Dorf auf die neuen Wohnmodelle übertragen, • durch eine offene Gestaltung des Wohnumfeldes das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bewohner fördern, • den infrastrukturellen Aufwand für Einzelhäuser vermeiden.
Beispiele einer zeitgemäßen Fortentwicklung traditioneller Baudetails
Regionalbezogen neu Bauen bedeutet nicht, Altes zu kopieren oder nachzubauen. Es geht vielmehr darum, die traditionelle Baukultur, die regionale Bauweise, die Baudetails und die Materialtät bewußt wahrzunehmen und die vorhandene Architektursprache in ihrem Wert zu erkennen und als Anregung zu verstehen, um sodann gut gestaltete, zeitgemäße Neubauten mit hoher Gestaltqualität und mit Ähnlichkeiten, die das Ortstypische, das Vertraute erkennen lassen, zu entwickeln.
Beispiel: Treppengiebel in der Eifel
Kennzeichnend für die sogenannten Treppengiebel in der südlichen Westeifel sind die über die Dachfläche nach oben hinaus geführten Giebelwände mit einer treppenförmigen Abstufung, wobei jede Stufe mit einer Natursteinabdeckung versehen wurde.Untersuchungen bei einem Gebäude in Bruch bei Wittlich haben ergeben, dass diese Bauausführung bis Mitte des 16.Jahrhunderts zurück verfolgt werden kann. Bei den Untersuchungen ist auffällig, dass der räumliche Schwerpunkt dieses Baudetails im Westen des Eifelraumes, besonders in Bereichen mit Sandsteinvorkommen liegt. „Es gibt bislang nur volkstümliche Deutungen und keine eindeutigen Begründungen für diese Ausführungsart. Da oftmals die Schornsteine am Giebel gelegen waren und am First endeten, sah man den Treppengiebel als erleichterten Aufstieg für den Schornsteinfeger an. Eine weitere Erklärung wurde in einer wirkungsvolleren Brandbekämpfung über die Treppengiebel gesehen. Archivalisch können diese Erklärungsversuche nicht belegt werden. Auch obrigkeitliche Verfügungen zu einer solchen Ausführung sind nicht bekannt. Derzeit geht die Hausforschung davon aus, dass es sich um eine, im späten Mittelalter begründete, dekorative Tradition ohne funktionalen Hintergrund handelt.“ (Zitat: Klaus Freckmann). Im Eifelkreis Bitburg-Prüm findet man derartige Treppengiebelhäuser u.a. noch in Bitburg-Masholder, Messerich, Dockendorf, Dudeldorf, Oberkail, Spangdahlem, Beilingen, Schankweiler und Ferschweiler. Diese Besonderheit und Rarität, wie Hardy Dietrich es bei seinem Fotobeitrag treffend formulierte, stellt ein für die regionale Baukultur wichtiges, erhaltenswertes zeitgeschichtliches Dokument dar. Hier weitere Beispiele traditioneller Treppengiebelhäuser: Weitergehende Literatur hierzu: Theodor Wildemann,1935, Rheinische Heimatpflege, Die Verbreitung des klein abgetreppten Steinplatten-Staffelgiebels in der Westeifel; Klaus Freckmann, 2002, Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft XI/6-XI/7, Hausformen, Bauweisen und Nutzungsarten vom Mittelalter bis in die Neuzeit (www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b035785.pdf)
Der traditionelle Treppengiebel in der südlichen Westeifel mit der über die Dachfläche nach oben hinaus geführten Giebelwand und treppenförmigen Abstufung findet sich in einer Reihe von Neubauten in einer modernen, zeitgemäß fortentwickelten Form wieder. Auch in der heutigen Form dieses Baudetails sind die Giebelwände über die Dacheindeckung hinaus nach oben fortgeführt worden. Allerdings wurde auf eine Abstufung und auch auf eine Natursteinabdeckung verzichtet. Stattdessen kommt eine Metallabdeckung in Zink zur Ausführung. Die untenstehenden Beispiele zeigen, dass die zeitgemäße Fortentwicklung des traditionellen Details eben keine Kopie des Traditionellen darstellt. Formale Vereinfachungen und gestalterische Veränderungen gegenüber dem historischen Treppengiebel entsprechen dem heutigen Zeitgeist. Sie sind auch Ergebnis der Verfügbarkeit und des Einsatzes heutiger Materialien. Dennoch erhalten die Gebäude bei dieser neuzeitlichen Giebelgestaltung ihren Bezug zur Region Eifel, da mit dieser Ausführungsart verbunden, auf Dachüberstände verzichtet wird und ein schlichter, klar begrenzter Gebäudekubus entsteht, der wiederum der traditionellen Gestaltung und Formensprache der Region entspricht. An dem dargestellten Beispiel der Weiterentwicklung des historischen Treppengiebels wird erkennbar, dass ein Festhalten und Kopieren der traditionellen Architektur– und Formensprache nicht zwingend geboten ist um eine regionale Baukultur zu pflegen. Vielmehr geht es darum -neben dem Erhalt von Kulturgut -, am Bestehenden anzuknüpfen und dieses, den heutigen Ansprüchen und den technischen Möglichkeiten entsprechend, qualitätsvoll weiterzuentwickeln. Nur auf diese Weise kann eine Kultur des Bauens im Geist der heutigen Zeit entstehen die gleichzeitig und erkennbar einen örtlichen Bezug aufweist. Hier gebaute Beispiele mit Giebelausbildungen, die sich an dem traditionellen Baudetail Treppengiebel orientieren: |